Dienstag, 26. Februar 2008

You have been selected!

Ich schreib nur wie es ist: Als ich mein Journalistenvisum beantragt habe, musste ich zum Konsulat in der Clayallee in Berlin. In den imposanten Zaun war ein Kabuff eingebaut, auf der einen Seite des Zaunes ging die Tür rein, Sicherheitscheck, auf der anderen Seite wieder raus und rein ins Konsulat.
Ich kam an und musste am Fuße der Treppe warten, bis ich hochgerufen wurde und der Sicherheitsmann die erste Tür per Summer öffnete. Weit kam ich nicht, denn ich hatte das Kleingedruckte überlesen und einen Rucksack dabei. "Verboten", sagte der andere Sicherheitsmann, der eine Frau war. "OK, dann lass ich den so lange hier liegen?" Na, also, das geht ja sowas von gar nicht, "big brother is watching you, me and my job", sagte die Frau und zeigte auf allerlei Kameras. "Aber lassen sie mich ihnen einen Tip geben: an der Currywurstbude an der U-Bahnstation könnte ich den Rucksack vielleicht abgeben".
Die Die Curry-Wurst-Frau war knorke, wusste natürlich sofort um was es ging, schließlich war ich nicht der erste Taschen-Verpeiler.
Zurück am Check wird meine Jacke gescannt. "Ach, ein mp3-Player?" Nein, also das geht auch nicht. Im Hintergrund sehe ich kleine Schließfächer, geradezu gemacht für kleine mp3-Player. "Nein, das geht wirklich nicht, da verliere ich meinen Job." Gut, dann geh ich kurz raus und schmeiss den mp3-Player ins Gebüsch und hol ihn nachher wieder da raus, zur U-Bahn-Station ist´s ja schon ein bisschen weit. "Tja, wenn sie Lust haben, dass ein Bombenräumkommando kommt und den mp3-Player entschärft... Das kostet einige tausend Euro, so ein Bombenräumkommando..." Also bin ich noch einmal zur Currywurstbude gelaufen.

Als ich drin war, habe ich den Dokumenten Pre-Check bestanden und konnte bald zum Dokumenten-Eigentlich-Check. Dann wurden mir alle zehn Fingerabdrücke genommen, die Frau an dem Lesegerät war begeistert: "Wow! sehr schöne Fingerabdrücke, wirklich toll!" Das alles passierte in einem Raum, ähnlich wie beim Amt, viele Wartestühle und fünf Schalter. Erster Schalter Dokumenten-Check, zweiter Schalter Finger-Check. Ich setzte mich wieder hin und wurde nach wenigen Minuten in diesem gleichen Raum zum dritten Schalter zum Interview gerufen. Dass ich beim Humanglobalen Zufall arbeite ließ der Interviewer durchgehen, aber wichtiger schien die Frage, ob ich wirklich ich bin. Und so wählte er per Zufallsgenerator einen Finger aus und checkte gegen, ob ich nicht in drei Minuten im gleichen Raum, in dem ich die Fingerabdrücke und meinen Pass abgegeben habe, unter 30 Augenpaaren und big brother meine Identität gewechselt habe. Habe ich nicht, ich hab das Visum bekommen.

Am Flughafen wurde ich, während ich in der Schlange zum Gepäck-Check-In wartete, zu eben diesem Gepäck befragt. Reisepass, Reiseziel, eine Hotelbestätigung? Das macht die Sache leichter. Konferenz? Bestätigung? Sprengstoff dabei? Dinge in der letzten Zeit geschenkt bekommen, die im Gepäck sind? Sämtliche technischen Geräte auflisten. Welche erst kürzlich gekauft? Wo? Wozu diese Fragen? Sehen sie, dass ist wie im Straßenverkehr, da müssen auch Regeln eingehalten werden, da halten sie ja auch freiwillig an einer roten Ampel. Und, ach, immer diese Diskussion, sie müssen diese Fragen nicht beantworten, kein Problem, dann können sie aber leider auch nicht mitfliegen.

Homesecurity-Immigration in New York, Kennedy-Flughafen, übrigens ziemlich heruntergekommen. Officer kaut Kaugummi mit einer Amplitude von mindestens fünf Zentimetern, schmatzt und ist sehr cool. Was das denn hier soll auf dem Immigrationszettel, Herkunft "D"? Was ist denn D? Das kann ja alles heißen, Denmark zum Beispiel, sagt er. Äh, nee, D ist die internationele Kennung für Deutschland, die für Dänemark ist DE, denk ich, trau es mich aber nicht zu sagen, hab keine Lust auf Redaktionssitz in Guantamo.

Dann von New York nach Boston. Ich stehe eine halbe Stunde zum Handgepäcks-Check-In an, der Pre-Check-Officer entdeckt "ssss" auf meiner Bordkarte und sagt in einem Singsang, als hätte ich an der Losbude "Freie Auswahl" gezogen: "You have been selected for the special security check! (Congratulaions!) " Oh!, great!, thank you!

"Please step over there", sagt der nächste Officer sofort, als er die vier "s" sieht. Ich muss in einem Glaskabuff warten bis die Tür zum Analyse-Areal aufgeht. Nach Intensiv-Abtastung streicht der Mann mit einem Papier über meine Schuhränder und den Rucksack und steckt das Papier in einen Analysator. Dann durchsucht er Jacke und Rucksack bis auf das letzte Knopfloch. "Äh, Sir, was suchen sie eigentlich mit dem Papier?" "Thing you´re not supposed to have." "Äh, Uranium for example?" "Just things you´re not supposed to have." "Drugs? Explosives?" "Things you´re not supposed to know, please go."

Ab dann bei jeder Zwischenlandung Special Security Check. Der beste war in Atlanta. Die Lage war eh angespannt, alle fünf Minuten kam die Durchsage, dass der Homesecurity-Level orange sei, also Obacht! Ich musste in eine telefonzellenartige Box, ich sollte mich einfach reinstellen und warten bis das grüne Licht erscheint. Was darin passieren würde, sagte mir der Officer nicht und während ich mich fragte, was passieren würde, machte es von allen Seiten ziemlich laut "Pfffft!" und ich wurde von vielen unsichtbaren Düsen mit Luft oder sonst einem geruchsneutralen Gas eingesprüht oder vielleicht sollten so verbotene Partikel von mir abgesprüht und detektiert werden. Das grüne Licht erschien zum Glück, nicht auszudenken, was los gewesen wäre, wenn ich mir irgendwo verbotene Partikel eingeheimst hätte...

Samstag, 16. Februar 2008

Aussergewöhnlich normal

Ich bin gerade in den USA, auf der AAAS-Konferenz in Boston, einer sehr grossen Tagung zur aktuellen Lage in der Wissenschaft. Dafür bedanke ich mich ganz unverblümt und herzlich bei der Robert-Bosch-Stiftung.

Die US-Amerikaner, im folgenden kurz Amis genannt, sind schon dufte Typen, allerdings sehr normal. Zumindest die auf der Konferenz hier. Sie sind so aussergewöhnlich normal, dass ein europäisches Gehirn bei Palavern gern mal in eine Art Lethargie verfällt, in eine Art Energiesparmodus. Inhaltlich ist zwar alles gut, aber charakterlich kommt nicht viel rüber, ausser Freundlichkeit und Nettigkeit und gutes Benehmen. Das lähmt etwas. Provokationen prallen nicht ab, sie werden in einem Pudding aus Freundlichkeit absorbiert. Aber wir sind hier ja auch nicht, um Freunde zu finden, sondern um Networking zu machen. Und das bedarf des Smalltalks, und in dieser Disziplin sind die Amis einfach unschlagbar. Auf den Konferenz-Partys schnacken sie beneidenswert hemmungslos wildfremde Leute an. Wie in einer brownschen Molekularbewegung treiben Sie so durch den Raum, prallen aneinander, reden kurz, tauschen Visitenkarten aus, treiben weiter, ganz unverbindlich. Dabei sind sie auf eine sehr professionelle Art und Weise normal. Ich schätze, das ist eine Buisiness-Normalität, die auch in anderen Ländern bei Meetings und Konferenzen vorherrscht. Also nix gegen die Amis.

Auf den AAAS-Parties waren sie kontrolliert ausgelassen. Die eine ging ging um halb acht los, erstmal Buffet (Truthahn, immer und immer wieder auf jedem Buffet trockenen Truthahn, dazu preisselbär-ähnliche Sosse). Dann Live-Musik, dann ein schickes Tänzchen und zack! ohne Gnade wird die Bar um halb elf geschlossen. Alle sind kurz vor dem alkoholischen Klimax, da geht um fünf nach halb elf auch schon ein dufte Typ durch Reihen und fordert die Leute auf, zu gehen. In einem Ton als wäre er der dickste Kumpel: "Hey Buddy, I'm John, what's your name? Nice to meet you! How's goin', hope you enjoy yourself?! Anyway, I'm sorry, but we have to clean this place up now, you know, so could you please start leaving? But take your time, thanx, Buddy!"

Sehr erfrischend sind dagegen die Taxifahrer. Der eine war begeistert, Deutsche kutschieren zu dürfen und zeigte sofort seine ID, weil er so stolz auf seinen Namen ist: Juerken Wolfgangs, der Hautfarbe und dem Akzent nach zu urteilen eher aus Jamaika. Und in den Kneipen und Clubs sind die Leute normal aussergewöhnlich, besoffene, Sprüche klopfende Studenten, deren Freundlichkeit keine lähmenden Ausmasse hat, laute, gute Musik, gerne auch live oder mit Bauchtänzerin. Sehr angenehm. Allerdings gibt es knallharte Passkontrollen (in der Mariott-Hotelbar haben sie die guten Bundesdruckerei-Hologramm-Persos abgelehnt und uns nicht reingelassen, da lief nix ohne Reisepass, weil keine US-ID). Um ein Uhr ist Schluss, vor Feiertagen erlaubt das Gesetz (zumindest in Massachusetts) die Sause auch bis zwei Uhr. Dann aber schnell raus, raus, raus, please guys, get out!

Letzte Anmerkung: Alles ist grösser. Der kleinste Kaffee bei Starbucks ist "tall", ein "regular" Kaffee bei anderen Coffeeshops beinhaltet einen halben Liter. Einen Koffein-Overflow ist allerdings nicht zu befürchten, da der Kaffee im allgemeinen so dünn ist wie ein Aerosol. Autos und Strassen sind sowieso grösser, aber selbst das Klopapier ist breiter. Und von wegen Resourcen schonen: Unter dem Vordach des Sheraton hängt eine Phalanx von Heizstrahlern, die rund um die Uhr den Gästen auf ihrem drei Schritt langen Weg von der Tür zum Taxi den Kopf wärmen.

Montag, 11. Februar 2008

Endlich: Gegrilltes Meerschweinchen

Ecuador ist ein gutes Land. Ich hab zwar nur das Dorf Mindo gesehen und ein wenig die Hauptstadt Quito, aber alle Ecuadorianer, die ich getroffen habe, waren freundliche, dezente und sehr angenehme Menschen. Kein penetrantes Gebettel, niemand wollte uns ungefragt etwas verkaufen.

In Mindo, dort, wo die erste Geschichte des ersten Heftes von Humanglobaler Zufall spielt, gab es einen interessanten Kontrast der Lebendigkeit. Wir kamen zum Karneval-Wochenende, die Touristen verstopften das 2500-Seelen-Dorf, überall war was los: Den reißenden Fluss ritten sie kreischend auf zusammengebunden Treckerreifen hinab (Tubing), über die Urwaldschluchten flogen sie, ebenfalls kreischend, an gespannten Drahtseile entlang (Canopy). Und als die Touristen am Montag das Dorf verlassen hatten, feierten die Mindenos auf ihre Art, touristenuntauglich. Mit Wasser fing alles an. Jeder wurde nass gemacht, dann kamen Mehl und Eier hinzu, einmassiert in die Haare. Ein astreiner Brotteig, der jedem Shampoo noch tagelang stand hielt. Ins Gesicht bekamen wir Achiote geschmiert, eine Frucht, die herrlich rot färbt, waschecht. Der Mob zog durch die Straßen und hat jeden verwüstet, der ihnen in die Quere kam. Und als keiner mehr kam, sind sie von Haus zu Haus gezogen und haben die Leute, auch Kommunalpolitiker, aus ihren Häusern gezogen und eingeschmiert. Bis das ganze Dorf aussah wie Schwein und die Sonne untergegangen ist. Klatschnass und eingeteigt tanzte das Dorf dann noch bis in die Nacht auf Mindos Straßen. Die waren dann bis zum nächsten Wochenende wieder wie ausgestorben, nur hier und da schlich ein Köter um die Häuser. Die Köter wurden beim Karneval übrigens auch nicht verschont, aber sie nahmen die Sache praktisch und leckten hinter dem Mob die Straßen sauber: lecker Mehlwasser und verkleckertes Ei.

In Quito gab es dann auch eine ecuadorianische Spezialität, die vor allem im Hochland verbreitet ist: Gegrilltes Meerschweinchen (Cuy). Viel ist nicht dran, die Haut ist wie aus dickem Gummi, aber an die Schenkelchen waren recht lecker. Und am Rücken, da sind sie besonders zart…

Aus Mindo, Ecuador: Noch kein gegrilltes Meerschweinchen

Nach drei Tagen hatten wir das erste mal Strom. Die Telekom-Firma Movistar hatte einen Funkmast an einer Stelle aufgestellt, wo es ihr verboten war. Ein paar Schmiergelder machten es möglich, aber dummerweise ist der Mast umgefallen, auf eine Stromleitung. Kein Strom in Mindo (wo ich bin, 2 Stunden von der Hauptstadt Quito) und 20 km drumherum. Und Movistar musste für jede Stunde ohne Strom Strafe zahlen.

Der Regen ist moderat. Nachts schüttet es ganz gut und tagsüber dampfen die Modderwege. Gummistiefel sind was feines, aber bei längerem Marsch unbequem. Längerer Marsch etwa zum großen Wasserfall. Fotos gibt es später, die Computer hier wollen das Handy nicht erkennen.

In Salem, dem Haus wo die Kinder versorgt werden, ist Bombenstimmung. Die Kiddies sitzen mir zu dritt im Nacken und zeigen auf die Worte Mindo und Movistar, die sie erkennen, und sie fragen, warum ich das schreibe, aber mein Spanisch ist ein Krüppel von Erklärung. Gerade räumen sie den Frühstückstisch ab, alle sind aufgeregt, weil wir heute Canopy machen. Das ist eine Touristenattraktion hier: An Drahtseilen über die Regenwaldschluchten gleiten. Heute ist es fuer alle Mindenos umsonst. Touris sind eh nicht da, die kommen nur am Wochenende ins 2400-Einwohner-Mindo.

Insekten sind auch immer ein hübsches Thema in diesen Breiten. Am ersten Tag dachte ich: „Oh, was macht den die Amsel hier im Zimmer?!“. Es war einer von diesen 30-Zentimeter-Faltern, die laut flatternd um die Lichter fliegen. Im Dorf kam eine Heuschrecke vorbei, so groß, das die Leute ihre Kinder ins Haus holten. Aber zumindest im Hause Salem gibt es Che Guebaba, (neben Krimhild und Brunhild und Mietzi eine der vier Katzen), die Kakerlaken und Riesenfalter gnadenlos jagt und frisst, selbst die Falter mit den staubigen Flügeln. Nachts legt sie sich dann zu mir ins Bett, das kleine Mietzekätzchen, dem es nicht um Sympathie, sondern um das Abgreifen von Wärme geht. Mückenattacken halten sich in Grenzen.

Das Volk insgesamt ist sehr entspannt. Alle wandeln mit positiver Aura umher, naja, einige sind Alkoholiker, aber insgesamt sind alle sehr freundlich. Selbst mit roten Haaren werde ich nicht angestarrt oder von der Seite vollgequatscht, sehr angenehm.

Morgen geht´s zurück, erst nach Quito und dann übermorgen früh nach Deutschland. Gebratene Meerschweinchen gibt´s in Mindo nicht, vielleicht kann ich in Quito eins abgreifen…

Montag, 7. Januar 2008

Streng geheim!

Als ich den Scoop gewonnen hatte, durfte ich mich eigentlich nur heimlich freuen. Denn ich hatte unterschrieben, dass ich es keinem weitersage. Doch schon ein paar Tage später kam ich auf der Kneipen-Feier einer Freundin in die Bredullje. Viele gute Leute waren da, die ich lange nicht gesehen hatte: "Wie geht´s?". "Sehr gut", sagte ich und eine Freundin von der Journalistenschule wollte es genau wissen.



Ja, naja, ein neuer Job, ich dürfe nicht drüber reden, sagte ich. Dummer Fehler, jetzt ließ sie natürlich nicht locker und so erzählte ich ihr, dass ich der neue Pressesprecher von Greenpeace Deutschland werden würde. Das schluckte sie ohne zu zweifeln: "Ach, ist ja interessant, ich hab letztens noch mit dem jetzigen Pressesprecher gesprochen, der ist doch ganz kompetent?!"



Sie fragte nach, was das Zeug hält: Wieso, ab wann, wie war die Bewerbung und es ging immer tiefer in den Detaildschungel, in dem ich mich bald verirrt hatte. Schwitzend versuchte ich immer wieder das Gespräch zu beenden, aber sie ließ nicht locker, arbeitete sie doch für die Medienseite des Tagesspiegel und das wär doch ein Thema.



Nicht dass die Gute das als Gerücht verbreitet! Also sagte ich ihr, dass es Schmu wär, die Wahrheit aber wirklich geheim ist. "Ich erzähl´s ja auch nicht weiter!", versprach sie, doch einer Medien-Seiten-Redakteurin die Sache zu erzählen, schien mir zu heikel. Nach dem zwanzigsten "Nu erzähl doch mal" und dem dritten Bier, fiel mir folgende Lösung ein: Ich ließ sie unterschreiben, dass sie mir eine lebenslange Rente zahlen muss, falls sie plaudert. Hier das Original-Dokument: